Go-One

Wer wissen will, was sich rund um Spezialräder tut, sollte zur gleichnamigen Messe nach Germersheim in die Pfalz reisen. An die 120 Firmen geben dort an einem Wochenende Ende April ein recht umfassenden Überblick über das gesamte Spektrum an motorisierten und unmotorisierten Liegerädern, Dreirädern, Velomobilen, Lastenrädern, Falträdern, Tandems, Ruderrädern und Reha-Mobilen sowie auf einem eigenen E-Bike-Parcours die neuesten Pedelecs.

Auch Beyss Leichtfahrzeuge aus Straelen lässt es sich nicht nehmen, auf der Spezialradmesse seine neuesten Modelle zu präsentieren. Vor elf Jahren hat die Zwei-Mann-Firma begonnen, Velomobile, dreirädrige, vollverkleidete schnelle Fahrräder aufwändig in Handarbeit zu fertigen. Übrigens ist die manuelle Arbeitsweise in der Branche durchaus gang und gäbe. Dennoch ist Beyss Leichtfahrzeuge einer der Innovativsten der Gilde, wie unser Gespräch noch zeigen wird. „Ich wollte möglichst trocken und effizient mit dem Fahrrad von A nach B kommen“, erinnert sich Geschäftsführer Andreas Beyss im Gespräch mit der Redaktion an eines der Motive, mit dem Bau derartiger Highend-Muskelkraftwägen zu beginnen. Tatsache ist, dass das Wetter hier an der niederländischen Grenze „eher schlechter als gut“ ist, wie Beyss meint.

Bei einem gewöhnlichen Fahrrad muss ab etwa 20 km/h eine erhebliche Leistung aufgebracht werden, um den Winddruck zu überwinden. Bei gleichem Leistungseinsatz − maximal schafft man an die 200 W − erreicht man mit den Rennern von Beyss Leichtfahrzeuge Geschwindigkeiten von 50 bis 60 km/h! Dies ist der ausgefeilten Aerodynamik der Verkleidung und der Steifigkeit der Chassis zu verdanken. Das gesamte Chassis ist selbsttragend in Kohlefaserbauweise ausgeführt, außerdem sind sämtliche Achsen gefedert.

Keine Frage, das Fahrgefühl in einem Velomobil ist mit dem eines Zweirads nicht zu vergleichen. Beyss Leichtfahrzeuge hat verschiedene Modelle im Angebot, auch Spezialanfertigungen, etwa mit Elektromotor lassen sich ordern. Beim „Kopf-drinnen“-Typ zum Beispiel blickt man durch eine Acrylglaskuppel, die einem den Eindruck vermittelt, man sei in einem Segelflugzeug unterwegs.

Dadurch, dass viel höhere Geschwindigkeit erreicht werden, wird eine viel höhere Aufmerksamkeit vom Fahrer abverlangt, schließlich rechnen die meisten anderen Verkehrsteilnehmer nicht damit, dass man derart flott daher kommt.

Das angesprochene Klientel kann unterschiedlicher nicht sein. Es sind Menschen, die über eine Strecke von 50 km täglich zur Arbeit fahren oder aber Freaks, die auf das spacige Design stehen. Der Geldbeutel sollte gut gefüllt sein, denn die Preise beginnen bei 7 000 Euro. Dennoch gibt der Markt Beyss recht: Immerhin ordert die Kundschaft rund 30 Fahrzeuge pro Jahr. Pro Fahrzeug müssen an die 40 Arbeitsstunden veranschlagt werden.

Durchgängige Prozesskette

Die Freiformflächen der insgesamt knapp 2,7 m langen Karosserie werden mit Solidworks erstellt. Auch das anspruchsvolle 3D-Design der Hinterrad-Schwinge wurde mit Solidworks ausgeführt.

Die Fräsbahnen der beiden Aluminium-Bauteile der Negativform für die Karbonschwinge wurden mit Mastercam berechnet, das über den Distributor Intercam-Deutschland GmbH mit Sitz in Bad Lippspringe bezogen wurde. Die Herstellung beider Formen diskutieren wir bei unserem Vorort-Besuch im Detail.

Mastercam verfügt über eine Direktschnittstelle zu Solidworks, so dass der Datentransfer reibungslos funktioniert. Inzwischen wird Mastercam sogar als Direktintegration in Solidworks geboten.

GoOne Velomobil

Fräsen mit dem Roboter

Wegen der enormen Flexibilität und Reichweite übernimmt nicht ein Bearbeitungszentrum, sondern ein Industrieroboter von Kuka die Fräsarbeit für die Formen aus Aluminium. Die Programmierung des Kuka Roboters erfolgt mit Robotmaster. Für die Berechnung der Fräsbahnen der beiden Halbformen setzt Beyss als CAM Baustein Mastercam ein. Mit Robotmaster können die erstellten Bearbeitungsoperationen interaktiv an die Kinematik des Roboters angepasst werden. Der Anwender hat zu jedem Zeitpunkt der Bearbeitung die volle Kontrolle auf den Fräsprozess und somit auf das Bearbeitungsergebnis.

Beyss erinnert sich an die ersten Fräsversuche mit dem Industrieroboter: „Ich war recht gespannt, ob es überhaupt zu vernünftigen Ergebnissen kommen würde. Mit Unterstützung meines CAD/CAM Partners, der robotized rm systems GmbH, habe ich mich bei der Schnitttiefe und dem Vorschub heran getastet. Dank Robotmaster konnten unterschiedliche Bearbeitungsszenarien schnell erzeugt und in verschiedenen Versuchen umgesetzt werden. Schließlich war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden.“ Beyss verweist auf die Besonderheit der sequenzellen 6-Achsen- Kinematik von Industrierobotern. Mit Robotmaster habe er aber ein Programmiersystem, welches die Besonderheiten bereits während der Programmierung sichtbar macht und er mit Hilfe unterschiedlicher Optimierungsoptionen sofort darauf reagieren kann.


Auf den Umgang mit Mastercam angesprochen, sagt Beyss: „Die Möglichkeiten der Simulation nach der Programmierung sind hervorragend präzise. Es stimmt wirklich: ‘You see, what you get!’ Denn jede Art von Kollision wäre ganz fatal und kann so vermieden werden.“ Auch mit dem Ergebnis der berechneten Fräsbahnen ist Beyss sehr zufrieden. Beyss lobt zudem die intuitive Benutzerführung von Mastercam: „Man kommt schnell wieder rein, auch wenn Mastercam nicht laufend genutzt wird.“

Fazit

Beyss Leichtfahrzeuge hat eine durchgängige Prozesskette umgesetzt. Doch soll demnächst die Entstehung weiterer Bauteile derart umfassend digital unterstützt werden. Mit Mastercam-Distributor Intercam und der robotized rm systems als direkter Ansprechpartner für den Kunden stehen dafür geeignete Partner parat. Intercam hat bereits beim Einstieg in die Fertigung von Velomobilen dem damaligen Start-up mit günstigen Konditionen unter die Arme gegriffen: „Ich war von der Geschäftsidee begeistert. Deshalb haben wir das Unternehmen auch gerne unterstützt“, bestätigt der Intercam-Geschäftsführer.

Die Revolution in der Roboterprogrammierung

Robotmaster vereint nahtlos CAD/CAM basierte Roboterprogrammierung, Simulation und Code-Generierung. Mit den in Robotmaster zur Verfügung stehenden Funktionen hat der Anwender die Möglichkeit mit minimalem Aufwand Roboterprogramme zu optimieren. Die so erstellten Programme sind frei von Singularitäten und Kollisionen. Die Grenzen der Erreichbarkeit und einzelner Roboterachsen werden ebenfalls berücksichtigt. Selbst die Orientierung des Werkzeugs in der Roboterhand kann entlang der Bearbeitungsbahnen kontrolliert werden. Robotmaster eignet sich ideal für Anwendungen wie Besäumen, 3D Fräsen, Entgraten, Polieren, Schweißen, Materialauftrag (Kleben), Schleifen und Lackieren.

Die Bandbreite der Roboterbearbeitung reicht von der Vorbearbeitung z.B. von Formen und Kernen (Schaumblöcke) bis zum Bauteilfinishing (von Leichtbaukomponenten aus Composites, die nur wenige Gramm wiegen bis zu tonnenschweren Blechumformwerkzeugen).

„Möglich wird das durch innovative End-of-Arm-Toolkonzepte unserer Kunden, welche auch die Entwicklung von Robotmaster vorantreiben“, so Norbert Krach von der robotized rm systems GmbH.

„Bei konventionellen CNC-Bearbeitungsmaschinen ist die Prototypen- und Einzelteilfertigung seit Jahren Stand der Technik. Wir stehen noch immer am Anfang des Trends, dass robotergestütze Lösungen mehr und mehr Einzug finden. Bei der robotized haben wir uns auf die CAD/CAM basierte Offline-Programmierung von Industrierobotern spezialisiert und unterstützen Kunden bei der Umsetzung innovativer Ideen.“

Das Erzeugen der Roboterbahnen erfolgt grafisch unterstützt in gleicher Art und Weise wie für konventionelle CNC-Bearbeitungszentren. Die Programmierung von Robotern ist somit nicht mehr wenigen Experten vorbehalten, sondern steht einer Vielzahl von Fachkräften aus dem Maschinenbau und der Zerspanung zur Verfügung.

Hier einige Besonderheiten im Überblick:

− Jederzeitiger Zugriff auf Mastercam-Funktionen, wie schnelle Geometrieerzeugung, Datenschnittstellen zum Importieren aller gängigen MCAD-Formate, assoziative, featurebasierte Programmierung von Werkzeugwegen bis zur 5-Achsen-Simultanbearbeitung

− Komplette Werkzeugverwaltung innerhalb des Systems

− umfangreiche Bibliothek zur Programmierung von Robotern von ABB, Fanuc, Kuka, Motoman/Yaskawa, Stäubli und anderen

− Interaktive Robotersimulation inkl. frei konfigurierbarer, anwendungsspezifischer Prozessdefinition

− Überführen der 3D CAD-Daten in optimierte 6-Achsen-Roboterprogramme, wobei Singularitäten, Kollisionen, Reichweiten und Gelenkgrenzen berücksichtigt werden

− Optimieren von Achsstellungen für gleichmäßige Roboterbewegungen und bessere Bearbeitungsergebnisse

− Generieren fertiger Roboterprogramme, die auf die jeweilige markenspezifische Steuerung abgestimmt ist

Quelle: Digital Engineering Magazin